Faustrecht
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Faustrecht

Ein Film von Bernard Weber und Robi Müller Digi-Beta  84 min. ch-d / d (Untertitel d, e, f)

Der Film FAUSTRECHT ist eine dokumentarische Langzeitbeobachtung von zwei gewalttätigen Jugendlichen. Bernard Weber und Robi Müller beobachteten Tim und Gibran von ihrem 16. bis zu ihrem 18. Lebensjahr.

Tim ist ein introvertierter Jugendlicher, der zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen neigt. Der Film zeigt ihn auf seiner 'Odyssee' durch Anstalten und Pflegefamilien - «auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen» (Zitat Tim).

Gibran ist ein extrovertierter Charmeur, der Gewalt einsetzt, um seine Ziele zu erreichen. «Ich schlage jeden, der geschlagen werden will, egal ob Mann oder Frau» (Zitat Gibran). Er verbüsst seine Haftstrafe in einer geschlossenen Anstalt, wo er massiv mit seinem Gewaltverhalten konfrontiert wird.

Der Film wagt einen Blick hinter die Gewaltstatistiken, auf jugendliche Täter, die zugleich auch Opfer ihrer selbst sind.


Produktion

Zeitraum Film, Zürich  www.zeitraumfilm.ch
Kulturija GmbH, Luzern  


Faustrecht

The film FAUSTRECHT (Rule of the Fists) is a long-term documentary of two violent teenagers. Bernard Weber and Robi Müller observed Tim and Gibran between their 16th and 18th birthday.

Tim is an introverted teen who is subject to uncontrolled fists of violence. The film shows his 'odyssey' through institutions and foster homes, «looking for a quiet little spot» (quote Tim).

Gibran is an extroverted charmer who uses violence to get what he wants. «I will hit anybody looking to be hit - no matter if man or woman» (quote Gibran). He spends time in a detention centre where he is strongly confronted with his violent behaviour.
The film casts a glance behind the statistics of violence, looking at young offenders that are victims of their own.


Faustrecht

Le film FAUSTRECHT (La loi des poings) est une observation à long terme de deux adolescents violents.Bernard Weber et Robi Müller ont suivi Tim et Gibran entre leur 16ème et leur 18ème année.

Tim est un jeune au caractère introverti, sujet à des crises de violences incontrôlables. Le film le montre dans son 'odyssée' entre institutions et familles d'accueil - «à la recherche d'un petit coin peinard» (citation Tim).

Gibran, quant à lui, est un charmeur extraverti qui utilise la violence pour parvenir à ses fins. «Je tanne tous ceux qui veulent être tannés, mec ou fille, ça m'est égal» (citation Gibran). Il purge une peine dans un centre de détention où il est confronté massivement à son comportement violent.

Le film ose un regard derrière les statistiques de la violence, en éclairant deux jeunes à la fois auteurs et victimes.


Kurzsynsopsis

Faustrecht ist eine Langzeitbeobachtung von zwei gewalttätigen Jugendlichen. Die beiden Regisseure beobachteten Tim und Gibran von ihrem 16. bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Tim ist ein introvertierter Jugendlicher, der  zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen neigt. Der Film zeigt ihn auf seiner Odyssee durch Anstalten und Pflegefamilien. Gibran hingegen ist ein extrovertierter Charmeur, der Gewalt einsetzt, um seine Ziele zu erreichen. Er verbüsst seine Haftstrafe in einer geschlossenen Anstalt, wo er massiv mit seinem Gewaltverhalten konfrontiert wird. Der Film wagt einen Blick hinter die Gewaltstatistiken, auf jugendliche Täter, die zugleich auch Opfer ihrer selbst sind.


DIE REGISSEURE ÜBER DEN FILM

Sie heissen Tim, Andy, Gibran, Volkan, Reto, Kastriot und bevölkern Jugenderziehungs-anstalten, Heime und Psychiatrien der Schweiz. In Statistiken werden ihre Gewalttaten und anderen Delikte erfasst. Unser Film„Faustrecht“ ist der Versuch, Zweien von ihnen, Tim und Gibran, ein Gesicht zu verleihen. Unser Ziel war es, hinter die Statistiken und Zeitungsschlagzeilen zu blicken und Täter zu portraitieren, die wie wir vermuteten zugleich auch Opfer ihrer selbst sind. Wir begegneten Jugendlichen, die im Amok Sozialarbeiter, Psychologen und Eltern verprügelten oder Sätze aussprachen wie: „Es macht keinen Unterschied ob Mann oder Frau, ich schlage jeden, jeden der es will!“. Während zwei Jahren haben wir sie auf ihren Odysseen durch geschlossene Anstalten, Pflegefamilien, Spitäler und Therapien begleitet und ihr Schwanken zwischen Gewalt und “Normalität” eingefangen. Aus Jugendlichen, die in den Medien oft als Monster dargestellt werden, wurden Menschen, Menschen, die sich verändern, wie wir alle.


INTERVIEW MIT DEM REGISEUR BERNARD WEBER

Von Normalen und Anderen

Woher kam eure Motivation einen Film über gewalttätige Jugendliche zu drehen?
Mein letztes Filmprojekt befasste sich thematisch mit den Themen Vorurteile und Rassismus. Beim Film Faustrecht war die Absicht eine ähnliche. In den Medien werden oft durch einfache Vorurteile gewalttätige Jugendliche zu „Monstern“ reduziert. Unsere Absicht war es, den anonymen “Monstern” aus den Gewaltstatistiken ein Gesicht, eine Identität zu geben. Denn solange sie in der Anonymität sind, ist es einfach und bequem, sie mit allen möglichen Klischees zu stigmatisieren. Mit diesem Film versuchen Robi Müller und ich, dem Betrachter unser Erleben, unseren Blick hinter die Maske möglichst authentisch wieder zu geben. Wir wollen und können die Frage nach dem warum ihrer Gewalttätigkeit jedoch nicht beantworten. Unsere Absicht ist es, dem Zuschauer einen emotionalen Zugang zu den Protagonisten zu ermöglichen. Dies erschwert vielleicht das Vorurteil: Wir hier die sogenannt Normalen und sie dort die brutalen Monster.

Wie habt ihr eure Protagonisten gefunden?
Vielleicht muss man zuerst kurz etwas dazu sagen, welche Jugendlichen wir überhaupt gesucht haben. Uns war von Anfang an klar, dass wir uns nicht auf die sensationellen Fälle wie Mörder oder extreme Gewalttäter, die nur die kleine Spitze eines Eisbergs bilden, konzentrieren wollten. Unser Fokus war auf die grosse Mehrheit der Jugendlichen gerichtet, die Hunderte von mittleren bis schweren Schlägereien aus absurden Motivationen haben, bevor sie mit der Jugendanwaltschaft ernsthafte Probleme kriegen. Bis wir uns endgültig für Tim entschieden haben, hat es lange gedauert. Am Anfang stand ein “Casting” mit 80 Kids aus Heimen und Schulen über mehrere Monate. Von diesen haben wir sechs ausgesucht, die wir zum Teil bis zu einem Jahr lang filmisch begleitet haben. Gibran hingegen haben wir aus Interesse am Antiagressivitätstraining gefunden - in Zusammenarbeit mit seinen Betreuern beim Aufnahmeheim Basel. Da er in seinem Gewaltverhalten komplett verschieden war von Tim hat uns dann überzeugt, mit ihm zu drehen.

Die beiden stehen sowohl vom Persönlichkeitstyp als auch von der Therapie-methode her, für Gegensätze. War dies eine bewusste Entscheidung?
In gewisser Hinsicht stehen Tim und Gibran für zwei Grundstereotypen. Tim ist der Introvertierte, der im Affekt vollkommen unkontrolliert Gewalt anwendet. Gibran ist der Extrovertierte, der Gewalt ganz bewusst und gezielt einsetzt, um sich durchzusetzen und seine Machtposition in der Gruppe stärken. Natürlich war die Entscheidung für Tim und Gibran eine bewusste Entscheidung. Es spielten aber auch andere Faktoren eine Rolle. So gab es Jugendliche, die sich nicht so öffnen konnten, wie wir uns das erhofft hatten. Und immer wieder gab es auch Ausseneinflüsse, Eltern, Therapeuten oder Vertreter der Jugendanwaltschaft, die Bedenken in Bezug auf unser Filmprojekt hatten. Im Nachhinein sind wir nun beinah froh über die damaligen Schwierigkeiten, denn beim Schnitt zeigte sich, dass die Spannung, die sich aus den beiden Gegensätzen Tim und Gibran ergibt, für die Dynamik und den Rhythmus sehr gut ist.

Die Begleitung durch die Kamera ist gerade in Extremsituationen für die Jugendlichen eine zusätzliche Herausforderung. Wie sind sie damit umgegangen?
Wir haben versucht, von Anfang an so ehrlich und offen wie möglich zu sein mit den Jugendlichen. Wir haben intensive Gespräche geführt, in denen wir ihnen erklärt haben, was so ein Öffnen vor der Kamera für sie für Auswirkungen haben könnte. Was es bedeutet, vor der Kamera zu stehen und sich so auch einer Öffentlichkeit auszusetzen. Ich denke, im Fall von Gibran und Tim sind beide stolz auf den Weg, den sie gemacht haben. Sie schämen sich nicht für ihre Geschichte und sie stellen sich den erlebten Situationen. Zudem hatten alle Jugendlichen während des ersten Jahres das Recht auszusteigen und Tim und Gibran bis zum Schluss ein Mitspracherecht.

War die Struktur des Films von Anfang an geplant oder hat sie sich im Verlauf der Dreharbeiten ergeben?
Wir haben einerseits versucht, so offen wie möglich zu sein und haben eine grosse Bandbreite an Fragen entwickelt, die wir den Jugendlichen immer wieder gestellt haben. Anderseits habe ich auch versucht, bei jedem Protagonisten das Grundthema zu finden. Ich habe mir immer wieder die Fragen gestellt: Was ist sein Ziel? Was ist sein wirkliches Thema? Was könnte sein Schlüsselerlebnis werden? Kommt er seinem Ziel näher oder entfernt er sich davon? Das gab uns in der Montage dann die Möglichkeit, den Film dramaturgisch “spielfilmartig” aufzubauen. Die Struktur des Films hat generell viele spielfilmartige Elemente. Auch bei der Kameraarbeit habe ich stets darauf geachtet, die Szenen möglichst aus der Perspektive der Jugendlichen zu erzählen. Ebenso haben wir es bei der Filmmusik gemacht. Dort haben wir uns mit Fabian Römer darauf geeinigt, die Musik wie bei einem Spielfilm einzusetzen. Wir haben sie zur direkten Unterstützung der jeweiligen Emotionen eingesetzt und für die einzelnen Protagonisten adaptierte musikalische Themen entwickelt.

Was war der entscheidenste Moment bei den Dreharbeiten? Gab es eine Situation, in der der Film auf der Kippe stand?
Um ehrlich zu sein, habe ich während des ersten Jahres ernsthaft und immer wieder daran gezweifelt, dass wir jemals etwas wirklich Interessantes und Kohärentes aus dem Material machen können. Als ich dann Gibran fand und uns klar wurde, dass eigentlich eine simple Parallellmontage mit Tim und ihm die Lösung war, kippte die Situation komplett. Von da an wussten wir haargenau, was wir in den jeweiligen Situationen von den beiden benötigten. Wirklich einschneidend war für mich natürlich der “Rückfall”, den Gibran erlebte, als er auf seine Freundin schoss. Es war eher ein persönlicher Schock und nach ein paar Tagen und einem langen Telefon mit Gibran war mir wieder klar, wie es weiter geht.

Welche Beziehung haben Sie heute zu den Protagonisten? Hat sich der Kontakt über die Drehzeit hinaus erhalten?
Ja, ich bin vermutlich für Gibran so was wie ein “böser Onkel”. Ich rufe ihn oft an, weil ich wissen will, was er so macht und wie es seiner Freundin nach all den Operationen geht. Sie hatte komplexe Operationen, ihr wurden aus Teilen des Hüftknochens die fehlenden Teile ihres Oberkiefers ersetzt und anschliessend die Zähne wieder eingesetzt. Gibran und ich haben einen vollkommen direkten Umgang miteinander. Die Telefone enden dann meist mit ein paar ironisch gemeinten Gewaltandrohungen meinerseits, für den Fall, dass er “Scheisse baut”. Das quittiert er dann jeweils gelangweilt mit ein paar “jajaja”. Robi Müller pflegt ebenfalls engen Kontakt zu Tim, was auch daran liegt, dass er ihn während der Dreharbeiten mehr betreut hat.